Am 4. Dezember 1914 verstarb in Niedersedlitz, seit 1950 ein Stadtteil von Dresden, der angesehene Metallurge und Hochschullehrer für Eisenhüttenkunde und Gießereiwesen, Geheimrat Professor Dr. Julius Weeren.
Der Vorsitzende des Heimatverein Hattingen/Ruhr, Lars Friedrich, hat jetzt zwei Briefe Weerens vom 23. Mai und 12. Juni 1914 im Archiv des Museums im Bügeleisenhaus wiederentdeckt*. Weeren, der am 9. Januar 1832 als Sohn des Apothekers Friedrich Weeren in Hattingen geboren wurde, beschreibt darin seine Kindheitserinnerungen an die Möncherei am Kirchplatz– jenes Gebäude, dem Jan Zweyer alias Rüdiger Richartz mit seiner Saga vom Waisenjungen Jorge von Linden in der Trilogie „Das Haus der grauen Mönche“ ein literarisches Denkmal gesetzt hatte.
Weeren erinnert sich, dass hinter dem Gebäude der 1652 eröffneten „Löwenapotheke“ am Kirchplatz 8 bis Mitte der 1850er Jahre „ein uraltes, sehr großes zweistöckiges Haus“ lag, das im Hattinger Dialekt „Möncherigge“ (Möncherei) genannt wurde. Weeren: „Es wurde erzählt, dass es aus der ältesten katholischen Zeit Hattingens stamme und die Herberge von Kirchendienern, also gewissermaßen ein kleines Kloster, gewesen sei.“ Das Haus (Parzelle 288 des Urkatasters) mit einer Grundfläche von 134 Quadratmetern war vom Haldenplatz aus sowie vom Kirchplatz aus über eine Treppe und „durch eine große Haustür“ an der Nordseite zu erreichen, die „in eine mächtige Diele führte, die fast das ganze Erdgeschoß ausfüllte und ungewöhnlich hoch war. An der Längsseite des Erdgeschosses befanden sich noch Wohnungen für zwei Familien.“ Später sei von der Hofseite aus ein vom Haldenplatz erreichbarer Raum abgetrennt worden, der als Schmiede öfters vermietet wurde. Zudem gehörten ein Brunnen und ein 47 Quadratmeter großes Gärtchen (Parzelle 287) zur Möncherei.
Das erste Haus der Dominikanermönche, die 1411 unter Adolf IV Graf von der Mark nach Hattingen kamen, wurde beim Stadtbrand 1424 vernichtet, vermutet Heimatforscher Dr. Heinrich Eversberg in einem bislang unveröffentlichten Manuskript zur Geschichte der Möncherei. Das Gebäude wurde durch einen kastellartigen Neubau aus Stein ersetzt, der dem in den 1960er Jahren abgebrochenen gotischen Haus der Ritter von Hattingen zwischen Weil- und Heggertor geglichen haben könnte. Eversberg verortet in der großen, beheizbaren Diele den Speisesaal (Refektorium) der Mönche, während im Obergeschoss der Schlafsaal (Dormitorium) lag. Die Zimmer der von Weeren erwähnten Wohnungen könnten einst Vorrats-, Sprech- oder Wärmeräume der Mönche gewesen sein.
Was mit dem „de grauwen moenycks hueß“ nach der Reformation geschah, konnte Professor Weeren nicht recherchieren. Apotheker Friedrich Weeren hatte 1819 die Apotheke am Kirchplatz übernommen. Professor Weeren: „Damals befand sich das alte Kloster in Privatbesitz der Familie H. und wurde außer vom Besitzer noch von den ärmsten Juden der Stadt und in der ersten Etage von dem ärmsten Pöbel bewohnt, so dass diese Nachbarschaft für alle umliegenden Häuser eine Sache der ärgsten Not war.“ Als kurz nach 1850 der Besitzer der „Möncherei“ starb und das Grundstück zur Versteigerung kam, kaufte es Weeren und ließ das Haus samt der 92 Quadratmeter großen Scheune (Parzelle 286) niederreißen. „Der Zugang zu diesem Grundstück vom Kirchhof aus wurde mit einem Tor verschlossen und eine Mauer, die auf dem alten Fundament der Möncherei an der Ostseite ausgeführt wurde“, umgrenzte den neu geschaffenen Garten.
Am Dienstag, 17. Oktober 2017, stellt Jan Zweyer um 19 Uhr im Alten Rathaus in Hattingen seinen neuen historischen Roman „Ein Königreich von kurzer Dauer“ vor und erzählt die zur Hansezeit spielende Historiensaga um den Waisenjungen Jorge aus Hattingen in der zweiten Generation weiter: 1531 gehören die von Lindens mit ihrem Handelskontor zu den angesehensten Bürgern Hattingens. Doch seine Söhne bereiten dem Kaufmann Jorge von Linden Kopfzerbrechen – Linhardt bekommt die Probleme der Niederlassung in Lübeck nicht in den Griff, Hinrick hat aber keinerlei kaufmännische Ambitionen und Lukas Leidenschaft ist die Musik. Als Jorge seinem jüngsten Sohn eröffnet, dass er die Leitung des Hattinger Handelskontors übernehmen soll, verschwindet dieser und macht sich auf den Weg nach Münster, wo er bei einem Instrumentenbauer in die Lehre gehen will. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt, denn ein radikaler Zweig der von Luther initiierten Reformationsbewegung ist in der Stadt aktiv. Die Wiedertäufer wollen ein theokratisches Täuferreich errichten und sind bereit, dafür über Leichen zu gehen…
* Großer Dank für die Entzifferung der von Dr. Eversberg angefertigten Briefabschriften gebührt Herrn Günther Kronenbitter/Sprockhövel.