Am Sonntag, 21. Mai 2017, feiern die Museen in Deutschland den 40. Internationalen Museumstag (IMT). Deutschlandweit laden zahlreiche Museen zu besonderen Aktionen, Ausstellungseröffnungen oder einem Blick hinter die Kulissen ein – auch das Museum im Bügeleisenhaus am Haldenplatz Nr. 1 in Hattingen. Das Motto „Spurensuche. Mut zur Verantwortung!“ stellt in diesem Jahr Themen in den Fokus, denen man mitunter lieber aus dem Weg geht, und Fragen, die sich nicht so leicht beantworten lassen.
Der Heimatverein Hattingen/Ruhr e.V. hat sich bereits vor vielen Jahren auf Spurensuche begeben, kritisch in die eigene Vereinsgeschichte geblickt und Mut zur Verantwortung gezeigt: Mit der Übernahme der Patenschaft für den Stolperstein für Selma Abraham vor dem Museum. Im Jahre 2005 hat der Vorstand des Vereins dazu erklärt: „Der schlimmste denkbare Vorwurf, der einem Heimatverein gemacht werden könnte, ist der der Geschichtslosigkeit. Die jüngere Geschichte des Bügeleisenhauses kann von uns nicht ignoriert werden, da der Heimatverein des Jahres 1939 die ´Arisierung´ des damals seit ca. 100 Jahren im Besitz der Familie Cahn befindlichen Gebäudes aktiv betrieben hat. Der dazu noch vorhandene Schriftverkehr motiviert jeden heutigen Leser zu aktivem Handeln. Daher war es für uns keine Frage, dem immerwährenden Andenken an die letzte Eigentümerin, Frau Selma Abraham, geborene Cahn, ein Zeichen zu setzen.“ Mut zur Verantwortung hat der Verein auch gezeigt, als Vorstandsmitglied Angela Beisken für die Chronik zum 400. Geburtstag des Hauses am Haldenplatz Nr.1 im Jahre 2011 dieses dunkle Kapitel der Vereinsgeschichte aufgearbeitet hat.
Zum Internationalen Museumstag 2017 zeigt der Heimatverein Hattingen/Ruhr e.V. in seinem Museum im Bügeleisenhaus erstmals die erhaltene Durchschrift des Briefes vom 22. Januar 1939, in dem der Vereinsvorstand in Person des Beamtenanwärters Karl Baeck (Kraft durch Freude-Kreiswart und Stellvertreter des Obmannes für das Amt NS-Kulturgemeine) und des Kaufmanns Hugo Niermann jun. (KdF-Ortswart ) bei der NSDAP- Ortsgruppe Hattingen die „Arisierung jüdischen Grundbesitzes“ einfordert. Sowohl Baeck als auch Niermann sind Mitglieder der Hattinger NSDAP-Ortsgruppe. Zu sehen sein wird der Brief im Brunnenraum des Hauses neben dem Modell der Hattinger Synagoge – eine Abschrift finden Sie am Fuß dieser Seite. Textliche Informationen helfen, das Dokument zeitlich und inhaltlich einzuordnen. Auf Grund des Erhaltungszustandes des Objektes ist die Durchschrift von 1939 ausschließlich am IMT 2017 ausgestellt.
Tagesprogramm am IMT am Sonntag, 21. Mai 2017 (Beginn: 15 Uhr)
- Begrüßung durch den Vorstand des Heimatvereins Hattingen/Ruhr e.V.
- Grußwort des Landrates des Ennepe-Ruhr-Kreises, Herrn Olaf Schade
- Museumsrundgang mit den Leihgebern des Ausstellungsjahres 2017
- Führung durch das Museum im Bügeleisenhaus (16.00 Uhr)
- Während der Öffnungszeiten des Museums ist Kai Klinkenberg zu Gast am Haldenplatz Nr. 1 und stellt seine Karikartoons vor.
Hintergrund: Der Internationale Museumstag verfolgt das Ziel, auf die Bedeutung und die Vielfalt der Museen aufmerksam zu machen. Gleichzeitig ermuntert er die Besucherinnen und Besucher, die in den Einrichtungen bewahrten Schätze zu erkunden. Daher ist der Eintritt in die Museen an diesem Tag in der Regel frei – natürlich auch in das Museum im Bügeleisenhaus. 2016 beteiligten sich 1.728 Museen bundesweit mit über 10.000 Aktionen. 2017 wird der Internationale Museumstag bereits zum 40. Mal gefeiert.
* Hier der Text des Briefes vom 22. Januar 1939 im leicht gekürzten Wortlaut:
„Dieses im Jahre 1611 errichtete Wohnhaus steht wegen seines historischen Wertes bereits seit Jahrzehnten unter dem besonderen Schutz des Westfälischen Provinzialkonservators Pg. Dr. Rave. Es war weder ihm noch uns als örtliche Heimatpfleger möglich diese Jüdin zu einer besseren Pflege dieses unter Denkmalschutz stehenden Hauses zu veranlassen. Es fehlten hierzu eben die gesetzlichen Bestimmungen.
Seit etwa 100 Jahren hat die jüdische Familie Cahn dieses Haus im Besitz. Seit Jahrzehnten wohnt die Familie Cahn nicht mehr in diesem Hause, sondern benutzt dasselbe als Zinshaus, zieht die Miete, legt nichts an und lässt somit das Haus allmählich verfallen. Im Zuge der Arisierung des jüdischen Grundbesitzes ist es uns endlich möglich das Haus in unseren Besitz zu führen. Wir haben bereits in den ersten Tagen nach dem 9. November 1938 über die Deutsche Arbeitsfront Verhandlungen mit der Jüdin Cahn wieder anknüpfen lassen, weil sich solche Verhandlungen mit den Juden heute unter ganz anderen Bedingungen durchführen lassen. Leider haben wir seit Wochen nichts mehr von dieser Angelegenheit gehört, deren Abschluß uns in den ersten Tagen dieses Monats zugesichert war.
Um die Sache baldigst zum Abschluß zu bringen, wenden wir uns hierdurch an Sie, mit der Bitte, alles daran zu setzen, dass das Haus in Kürze in unseren Besitz kommt. Wir bitten, uns mitzuteilen, was von uns nunmehr zu unternehmen ist, um den Kauf zum Abschluß zu bringen. Grundbuchauszug und Einheitswertbescheid finden sich bereits in den Händen des Pg. Wasserfuhr.
Erläuternd bemerken wir noch hierzu, dass wir unter allen Umständen vermeiden wollen, daß dieses Haus wieder in Privatbesitz übergeht, da dann immer wieder die gleiche Gefahr der schlechten Baupflege dieses Hauses besteht. Die Stadt zum Ankauf dieses Hauses zu veranlassen, ist ebenfalls nicht ratsam. Sie ist Besitzerin vieler Altstadthäuser, deren bauliche Pflege schon viel zu wünschen übrig läßt. (…) Wir beabsichtigen dieses Haus nicht nur für Museumszwecke dienlich, sondern auch zugleich zu einem wirklichen Schmuckkästlein Hattingens wieder zu machen. Dazu bitten wir auch um Ihre Hilfe.
Heil Hitler!“