Stollenweihnacht ⚒

Der Weihnachtsengel über Hattingen. Bild: Hildegard Schieb/Hattingen im Archiv des Heimatvereins Hattingen/Ruhr

Der Weihnachtsengel über Hattingen. Bild: Hildegard Schieb/Hattingen im Archiv des Heimatvereins Hattingen/Ruhr

Am 15. August 1965 verstarb in seiner Wohnung im Bügeleisenhaus am Hattinger Haldenplatz Nr. 1 der Heimat- und Arbeiterdichter Otto Wohlgemuth. Aus seinem Nachlass stammt das Gedicht „Stollenweihnacht“, das der Heimatverein Hattingen/Ruhr zum Weihnachtsfest des Jahres 2014 erstmals online veröffentlichte.

Und einmal,
es war auf dem „Friedlichen Nachbarschacht“,
wir lagen selbander im Stollen,
spät, vor der Heiligen Nacht,
um eine Lampenpyramide,
im Flöz, im Glitzerlicht.
Sieben junge Menschen
nach getaner Schicht.

Sieben Grubenlampen,
aufgebaut wie ein Lichterbaum.
Wie schimmerte das Gestein
im Bruch, im Felsenraum.
So mußten wir nun liegen
ganz in geheimer Gewalt.
Da trat, im Funkenflmmerlicht,
Maria aus einem Spalt.

Aber, sie trug ihren Sohn,
eia, da glänzte der Berg.
Lobesam um sie her,
schau, unser uralt Gezwerg.
Trugen ein Schäufelein Rubin,
Quarz und Kristall.
Purzelten drollig und dienten
dem himmlischen Kindlein all.

Siehe, im Damm, im Gespann,
neigte sich Sperrbock und Bolz.
Kam aus der Strecke gewackelt
singend das Grubenholz.
Maria sah unseren Lichterbaum,
Gottes Söhnlein lächelte schön.
Ja, unsere Augen schimmerten feucht,
und leise begann ein Getön:

„Vom Himmel hoch, ihr Englein kommt…“,
in der Bergnacht, Lob und Preis.
Da summte und stampfte im Gange gar
der leere Wagen im Gleis.
Da wogte und schwoll der Weise Schall
wie ein Wiegengesang.
Und knisternd wehte der Wetterschwall
im dunklen Flöz entlang.

Gebannt im zitternden Himmelslicht,
im Traum und in scheuer Scham,
Hammer und Keilhau sangen für sich,
als uns die Müdigkeit kam.
Und als uns Maria dort schlafen sah,
sie lächelte segnend und schwand.
Die Geisterschar sang Gloria
im Hangenden hinter der Wand.

Nun flackerte unser Lampenlicht
noch einmal im heiligen Hauch.
Wir hörten alle Steinglocken läuten,
und davon erwachten wir auch.
Wir sahen uns um, verwundert, und lauschten
wie trunken in Stollen und Schluft.
Die Abgründe in der Tiefe rauschten
und alles war vollen Weihnachtsduft.

Hinterlasse einen Kommentar

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Website bereitgestellt von WordPress.com.

%d Bloggern gefällt das: